25. Interdisziplinäres Kinderimmunologisches Arbeitstreffen (KIAT) und 15. Meeting des Arbeitskreises „Pädiatrische Immunologie“ (AKPI) der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI)
Medienstiftung Villa Ida, Leipzig, 11.11.2022, 09:00 bis 15:30
Maria Faßhauer, Stephan Borte, Michael Borte (alle Klinikum St. Georg Leipzig) und Ulrich Sack (Universitätsklinikum Leipzig) eröffnen die Veranstaltung. Michael Borte und Ulrich Sack beginnen mit einer kurzen Retrospektive. Ulrich Sack stellt die beteiligten wissenschaftlichen Organisationen vor. Michael Borte gibt eine Retrospektive über 25 Jahre KIAT und zeigt Bilder aus Höfgen-Kaditzsch und dem Mediencampus, mit vielen Referenten der vergangenen Jahre. Mehrere Bücher wurden in der Zwischenzeit publiziert. Michael Borte dankt den Unterstützern und Organisatoren. Abschließend wird das ImmunDefektCentrum Leipzig (IDCL) am Klinikum St. Georg vorgestellt, in dem sich derzeit 30 Patienten pro Woche vorstellen, derzeit werden 380 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit primären Immundefekten regelmäßig behandelt.
Ulrich Sack (Universitätsklinikum Leipzig) stellt typische zelldiagnostische Herausforderungen für Routinelabors vor und leitet dann über zu den Herausforderungen durch die neue IVD-R. Mit einer Reihe von Beispielen wird gezeigt, wie in-Haus-Tests auch in Zukunft verfügbar gemacht werden können.
Dem schloss sich der Vortrag von Johannes Wolf (Klinikum St. Georg Leipzig) an, der primäre und sekundäre Nahrungsmittelallergien in der Pädiatrie vorstellte. Das diagnostische Vorgehen ist grundlegend klinisch, aber Labortests sind sehr wichtig und werden zurzeit mit der Verwendung molekular definierter Allergene weiterentwickelt. Das ist spezifischer, oftmals empfindlicher und auch sehr hilfreich bei der Erfassung von Kreuzreaktivitäten. Das wird für Ara h8 und Bet v1 beispielhaft gezeigt. Die verschiedenen Allergene sind für unterschiedliche klinische Verläufe und Schweregrade verantwortlich. Besondere Fälle sind die Unverträglichkeiten von Milch- und Hühnereiweiß, insbesondere die hitze- und säurestabilen, verursachen langanhaltende gastrointestinale Beschwerden. Eine Unverträglichkeit von Weizen kann allergisch, autoimmun oder enzymatisch bedingt sein. Die letzte gezeigte Allergie ist die zeckeninduzierte Fleischallergie durch Alpha-Gal.
Olaf Nickel (Klinikum St. Georg Leipzig) stellt POC-PCR-Tests in der pädiatrischen Notfallmedizin vor. Schwerpunkt sind die bakteriellen Infektionen der Neugeborenen und die Pneumokokken-Meningitis. An Beispielen wird gezeigt, wie sich durch moderne Multiplex-PCRs die Diagnostik beschleunigen lässt. Grundlage für die Entscheidung sind die Klinik und Infektionszeichen aus dem Basislabor.
Julia Scheiermann (Charité Berlin) präsentiere CpG-Oligonukleotide als neue Adjuvantien für die Immuntherapie. Sie sind Liganden für TLR9 und stimulieren über plasmazytoide dendritische Zellen die B-Zellen, es wurden aber auch CD4+ und CD8+ T-Zell-Antworten beschrieben. Die Verwendung ist auch bei der nasalen und vaginalen Immunisierung oder bei Tumorimpfungen möglich. Bislang wurden über 1500 präklinische Studien durchgeführt. Jetzt laufen über 100 klinische Studien, z.B. für Impfungen gegen Hepatitis B, Milzbrand, Malaria oder bei der Desensibilisierung wegen Hausstaubmilbenallergie. Offensichtlich ist die immunologische Effizienz besonders gut. Die Anwendung in der Impfung gegen Tumore ist noch in den Anfängen, die CpG-Oligonukleotide sind gut verträglich und können mit verschiedenen Peptiden kombiniert werden. Erste Ergebnisse sind vielversprechend.
Ana Zenclussen (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Leipzig-Halle) führte danach in die Immunologie der Schwangerschaft ein. Die Mutter ist während der Schwangerschaft nicht immunsupprimiert, sondern toleriert den Fetus. Dabei spielt die Plazenta als Schanke eine zentrale Rolle. Fetale Zellen sind im mütterlichen Organismus an vielen Stellen nachzuweisen, zum Beispiel in der Lunge, und mütterliche Zellen wandern ins Kind ein (bidirektionaler Mikrochimerismus). Regulatorische T-Zellen spielen dabei eine wichtige Rolle, sie werden durch paternale Antigene induziert und steuern über Zytokine und mit HCG das lokale Mikroenvironment und die lokale mütterliche Immunantwort. Niedrig konzertiertes HCG ist dabei sehr wichtig für die Inhibition der TH17-Differenzierung und für T- und B-regulatorische Zellen. Sowohl Tregs als auch die B-Zellen sind für das fetale Wachstum essenziell.
Gerd Horneff (Sankt Augustin) konnte leider nicht persönlich teilnehmen und übermittelte einen aufgezeichneten Vortrag zur juvenilen idiopathischen Arthritis. Er stellte die Klassifikation und die aktuellen Therapieoptionen vor. Zahlreiche Biologika und erste Kinaseinhibitoren sind mittlerweile für die verschiedenen Formen der JIA zugelassen. Aus nationalen Registern geht hervor, dass zahlreiche Patienten noch nach Jahren therapiebedürftig bleiben. Die aktuellen Therapieempfehlungen (PROKIND) sehen ein strukturiertes Vorgehen mit klaren Zielen und Eskalationsstufen vor.
Als Mitglied der Sächsischen Impfkommission gab danach Michael Borte (Klinikum St. Georg Leipzig) einen Überblick über historische und aktuelle Entwicklungen bei Impfungen. Das Risikoprofil von Impfungen hat sich immer weiter verbessert. Die Pocken konnten weltweit eradiziert werden, bei Masern gibt es eher eine Zunahme der Fälle infolge niedriger Impfquoten. Schwierig ist unter Umständen die Entscheidung zur Impfung bei Immunsupprimierten. Entscheidungshilfen geben die einschlägigen Publikationen im Bundesgesundheitsblatt (2017-2019). Totimpfstoffe und die jährlichen Grippe-/Covidimpfungen sind immer indiziert. Lebendimpfungen sind nur bei hochdosierter Immunsuppression kontrainduziert.
Gunda Herberth (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Leipzig-Halle) begann ihren Vortrag mit einem Rückblick auf bisherige Allergie-Risiko-Studien. Insbesondere die großen Studien LARS, LISS, LISA und LINA mit großen Kohorten trugen sehr zum besseren Verständnis umweltbedingter Erkrankungen bei. Mit den Jahren konnten dabei Ergebnisse verifiziert und Risikofaktoren mit den begleitenden Pathomechanismen aufgeklärt werden. Im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Infektion wurden jetzt am Umweltforschungszentrum durchflusszytometrische Tests für die intrazelluläre Zytokinproduktion in Lymphozyten (CD4, CD8, Tfh/CCR5, γ/δ) etabliert. Im Muster zeigten sich dann Sekretionsunterschiede zwischen Tumorpatienten und Gesunden. Die Reaktion auf S-Protein und CEF-Peptide war in den Gruppen vergleichbar; die zelluläre und humorale Antwort korrelieren nicht.
Catharina Schütz (Universitätsklinikum Dresden) stellte in ihrem Vortrag autoinflammatorische Erkrankungen vor. Viele dieser Krankheiten präsentieren sich an der Haut; weitere Symptome werden eher erst bei einem klinischen Verdacht auffällig. Pathogenetisch stehen dahinter IL-1 und Inflammasom sowie NF-κB. Mit mehreren Kasuistiken illustrierte die Referentin die Vielfalt dieser Erkrankungen, das diagnostische Vorgehen und die Identifizierung der Mutationen. Die Therapie ist individuell, umfasst insbesondere IL-1β-Blocker und erfordert bei schweren Verläufen eine Stammzelltransplantation.
Julia Körholz (Universitätsklinikum Dresden) erklärte die Konsequenzen einer de novo IRF2BP2-Mutation, ausgehend von der klinischen Präsentation. Auf kindliche Atemwegsinfekte folgte mit 20 Jahren eine entzündliche gastrointestinale Symptomatik, schließlich eine seronegative Arthritis. Die Referentin erklärt den molekularen Mechanismus der gefundenen immunologischen Veränderungen und die Auswirkungen auf Differenzierung und Funktion der Zellen des Immunsystems. Therapeutische Optionen sind zum Beispiel CTLA4-Analoga.
Annelie Taha (Klinikum St. Georg Leipzig) präsentierte die Kasuistik eines 11-jährigen Patienten mit einer unklaren Autoinflammation. Rezidivierendes Fieber, Lymphadenopathie, Exantheme und unspezifisch-entzündliche Laborbefunde stellten eine diagnostische Herausforderung dar, auch die bildgebende Diagnostik brachte noch keine Auflösung. Die erste Verdachtsdiagnose Hämophagozytische Lymphohistiozytose wurde wieder verworfen. Das unklare Autoinflammationssyndrom wurde mit Anakinra probatorisch behandelt. Am ehesten wurde an einen Morbus Still oder ein Makrophagenaktivierungssyndrom gedacht, letztendlich ist es am ehesten eine PIMS like disease.
Den letzten Vortrag präsentierte Maria Faßhauer (Klinikum St. Georg Leipzig). Sie stellte zuerst einen mittlerweile 17-jährigen Patienten mit Antikörpermangel vor, bei dem ein CVID diagnostiziert wurde. Im späteren Verlauf zeigte sich, dass auch die Mutter betroffen war, und ebenso die noch lebende Großmutter und Urgroßmutter. In der Familie fand sich eine NFB1-Mutation.
Die Vorträge wurden nach den Präsentationen und in den Pausen lebhaft diskutiert. Für das nächste Jahr wurde als Folgetermin für das 26. Interdisziplinäre Kinderimmunologische Arbeitstreffen der 22.09.2023 bestätigt. Michael Borte kündigte an, sich aus der aktiven Organisation der Veranstaltung zurückzuziehen und seine Aufgaben an das Team im ImmunDefektCentrum Leipzig (IDCL) am Klinikum St. Georg zu übertragen.